Von Ende Mai bis fast Mitte Juni beherrschten nahezu ununterbrochen Unwetter Deutschland. Starkregen brachte kleine Bäche zum anschwellen, reißende Fluten stürzten durch Ortschaften und vielerorts wurden Keller überschwemmt. Aber nicht nur vollgelaufene Keller waren zu beklagen, auch Todesopfer und erneut brach eine Diskussion darüber aus, ob die Opfer hätten vermieden werden können.

 

Erst an Pfingsten 2014 brach eine Diskussion, angeführt von Jörg Kachelmann, darüber aus, ob man nicht die Menschen besser hätte schützen können. Damals war ein heftiges Unwetter über Nordrhein-Westfalen gezogen und hatte für Verwüstungen und sogar Tote gesorgt. Jörg Kachelmann machte damals den WDR und den Intendanten Tom Burow für die Opfer verantwortlich.

Diesmal traf es vor allem die südlichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, wobei ebenfalls, wie damals, Opfer zu beklagen waren. Dieses mal kamen die meisten in den Fluten kleiner Bäche ums Leben. Und erneut erhebt Kachelmann schwere Vorwürfe, diesmal in Richtung ARD, BR und SWR. Auch diesmal wären die Toten zu verhindern gewesen, hätte man anders gehandelt, so Kachelmann.

Man hätte die Menschen in den betroffenen Gebieten besser warnen müssen. Dabei legt er zu Recht den Hinweis darauf, nicht früher zu warnen, sondern besser im akuten Notfall. Früher ortsgenau zu warnen ist im Falle von Gewittern bisher eine Utopie. In diesem Fall kann man ein Tag zuvor größere Gebiete eingrenzen, in denen Gewitter auftreten könnten. Wo genau ein Gewitter letztlich entlang ziehen wird, kann man erst sehr kurzfristig sagen.

Das liegt zum einem am chaotischen System der Atmosphäre und zum anderen an den Vorhersagemodellen. Gerade Konvektion, sprich Gewitter, ist immer noch ein Problem für Vorhersagemodelle. Es ist nicht so, dass sie Gewitter überhaupt nicht vorhersagen könnten, aber oft genug nicht zeit- und ortsgenau. Dennoch lässt sich zum Beispiel die Labilität der Atmosphäre, was dem Potential zur Gewitterbildung entspricht, durch die Vorhersage bestimmen. Dadurch ist es zum Beispiel möglich ein oder zwei Tage im voraus zu sagen in welchen Gebieten Gewitter zu erwarten sind. Dies weißt erstmal ein größeres Gebiet aus, in dem Gewitter auftreten können, trotzdem ist es nicht auszuschließen, dass gewisse Regionen in diesem Gebiet verschont bleiben. Von daher ist es äußerst schwierig, bzw. bisher eigentlich unmöglich, zeit- und ortsgenau schon am Vortag vor Gewitter zu warnen.

Deswegen wird vom Deutschen Wetterdienst (DWD) oft eine Vorwarnung für diese Gebiete herausgegeben. Das kann unter Umständen für ganz Deutschland gelten, auch wenn später nur ein kleinerer Teil betroffen sein wird. Regional, das heißt auf Landkreis oder sogar Gemeindeebene, kann erst relativ kurzfristig gewarnt werden. Bis vor kurzem hieß das, dass der DWD explizit Regionen bzw. vor allem Landkreise bewarnt hatte. Dies bedeutete aber auch, dass ganze Landkreise eine Warnung erhalten haben, aber zum Beispiel keine einzelnen Städte oder Gemeinden. Was wiederum hieß, dass ein Gewitter eine Stadt in einem Landkreis treffen konnte, eine andere aber nicht. Dies kann natürlich dazu führen, dass Warnungen generell nicht mehr all zu ernst genommen werden.

Nur mit Hilfe von Beobachtungen, im Falle des DWD mit Hilfe des Netzes der Niederschlagsradare können Gewitter besser verfolgt werden, sowie kurzfristig eingeschätzt werden, wohin diese ziehen. Spätestens ab da könnten Städte und Gemeinden direkt gewarnt werden.  Seit kurzem will der DWD so verfahren und somit eine unnötige “Überwarnung” vermeiden. Dennoch sollte man auch hier im Hinterkopf haben, lieber einmal zu viel gewarnt, als gar nicht.

Kachelmanns Kritik zielt aber gar nicht auf den DWD ab, der noch vor einem Monat nur Warnungen für Landkreise ausgegeben hatte, sondern vielmehr auf die Medien, die wieder einmal total versagt hätten. Wieder einmal hätten Medien mit Absicht oder Dummheit Menschen sterben lassen. Sofort hätte, als die Katastrophe  absehbar war, zumindest die regionalen Sender ihr Programm unterbrechen und berichten müssen. In einem Interview in der Zeit bringt er das Beispiel Oklahoma, dort würden die lokalen Sender sofort bei einem Tornado das Programm unterbrechen und live berichten. Dadurch würden quasi keine Menschen mehr sterben,  da man quasi 100% der Bevölkerung erreichen würde.

Man kann wahrlich darüber diskutieren, ob eine kurze Meldung darüber das entsprechende Unwetterwarnungen des deutschen Wetterdienstes gelten, im alltäglichen Wetterbericht ausreichend für eine derartige Situation ist. Aber man muss auch erkennen, dass ein live Wetterbericht im amerikanischen Fernsehen schon mal wie ein Bericht von einer Kriegsfront aussehen kann. Das Fernsehsender live zu einem Tornado schalten hat natürlich den Vorteil, dass dies spektakuläre Bilder liefert, also Einschaltquoten. Wenn man dabei noch Menschen warnt und eventuell rettet, noch besser. Dies soll allerdings nicht die Arbeit und Warnung der dortigen Medien schmälern.

Oklahoma ist zudem dünn besiedelt, viel dünner als zum Beispiel Baden-Württemberg. Das dort ein Tornado eine größere Stadt trifft ist mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit verbunden. Zudem wird dort nicht nur durch die Medien gewarnt, sondern auch direkt vor Ort mit Hilfe von Tornadosirenen. Weiter sind die gefährdeten Gebiete in den USA ganz gut auf Tornados vorbereitet. Zum Beispiel besitzen manche Häuser auf dem Land extra einen Tornadobunker, um dort bei Tornadowarnungen Schutz zu suchen.

Dennoch ist ein Tornado eine noch unberechenbare Naturgewalt. Nur äußerst kurzfristig ist klar, wann und wo dieser zuschlagen wird und trotz aller Vorkehrungen und Warnungen durch Medien gibt es immer wieder Todesfälle durch Tornados. Ein Beispiel aus diesem Jahr zeigt, dass es sogar vermeintlich erfahrene Menschen treffen kann. Ein 85-Jähriger hatte trotz einer Tornadowarnung einen Tornado von einem oberen Geschoss seines Hauses gefilmt. Er dachte der Tornado würde wie jeder andere zuvor an seinem Haus vorbei ziehen. Sonst hatten er und seine Frau immer Schutz gesucht, aber diesmal reizte ihn das perfekte Video der Naturgewalt. Der Tornado sollte sein Haus nicht verschonen, wobei der Mann überlebte, seine Frau jedoch nicht. Hätte er das getan, was er immer zuvor getan hatte, wäre sie wahrscheinlich noch am Leben.

Wo bleibt also die Aufgabe der Medien in Deutschland? Müssen diese vor Unwetter und deren Gefahren warnen? Sie könnten es zumindest. Lokal macht dies definitiv Sinn, sei es nun über lokale Radio- oder Fernsehsender. Auch die ARD oder das ZDF könnte, sobald es absehbar ist zumindest die Regionen benennen, in der eine erhöhte Unwettergefahr besteht. Weiter könnte man auf die regionalen Fernsehsender verweisen. Diese könnten dann entsprechend reagieren und ebenfalls Warnungen, in Abstimmung mit dem DWD, herausgeben. Ob man nun das komplette Programm unterbricht und Schwadronen von Reportern vor Ort ausschickt ist vielleicht übertrieben, aber es würde Aufmerksamkeit erregen. Ein einfacher Laufticker am Unterrand würde für den Anfang genügen, birgt aber auch die Gefahr schnell in Vergessenheit zu geraten - lesen Sie immer genau den Liveticker bei N24, bei dem alles eine Eilmeldung ist?

Zudem gibt es schon eine App für Smartphones des DWD, die vor Gewittern, Sturm und Hitze warnt (Warnwetter). Eine weitere App ist NINA, welche nicht nur vor meteorologischen Gefahren warnt und zusätzlich Verhaltenstips gibt. Von daher die Erreichbarkeit über mobiles Internet eigentlich ganz gut abgedeckt. Aber die Erfahrung zeigt, dass bei solchen Ereignissen das mobile Internet oft als erstes unerreichbar ist. Eine Erreichbarkeit über das das normale Funknetz, z.B. per SMS, wäre sinnvoller.

Alle Vorkehrungen würden wahrscheinlich auch nicht ausreichen, um zu 100 Prozent zu gewährleisten, dass es keine Tote mehr geben wird. Erstmal müsste man dann gewährleisten müssen, dass jeder erreichbar wäre, ob über einen Fernseher,  ein Radio oder ein mobiles Gerät.  Dann müsste man gewährleisten, dass auch immer ein Empfang über die Geräte besteht. Wie wir wissen ist das bei mobilen Geräten nicht immer der Fall. Und im Falle einer Warnung, zum Beispiel einer Sturzflut wie im Fall Braunsbach, muss sichergestellt sein, dass der Bewarnte weiß was dies bedeutet. Besteht für ihn eine 20 prozentige Wahrscheinlichkeit, eine 50 prozentige oder 100 prozentige Gefahr? Und selbst das muss einem Bewarnten klar sein, was dies bedeutet. Trifft es mich möglicherweise?  Trifft es mich sicher?

Aber ist es nicht notwendiger Menschen auf eine andere Art zu sensibilisieren, um sich richtig zu verhalten? Nehmen wir ein blödes, vielleicht unwahrscheinliches Beispiel einer Person, die ahnt dass eine Sturzflut kurz bevorsteht, denn es herrscht sehr starker Regen an, sie es aber nicht zu 100 Prozent weiß, ob es eine Sturzflut gibt. Man hat ihr im Vorfeld vermittelt: bei so einem Fall, geh vor den Fernseher, die sagen dir, was du zu tun hast. Also macht sie das, wobei ihr Fernseher im Keller (dort ist es im Sommer angenehmer zu schauen) steht. Sie sieht den Warnbericht, Tips wie man sich verhalten soll hat sie gerade verpasst und wartet auf die Wiederholung. Man sieht die schön schaurigen Bilder der Sturzflut, erkennbar ist ihr Dorf, aber sie weiß nicht, was sie machen soll. Dann kommen die Verhaltenstipps (unter anderem: Keller meiden), aber es kommt auch schon die Flut.

Notwendig ist also schon eine viel frühere Aufklärung darüber wie man sich zu verhalten hat. Das schließt Schule, Gemeinde und den Staat mit ein, allerdings auch den Bürger selbst. Wenn man nicht weiß was zum Beispiel bei einem Gewitter zu tun ist, sollte sich der mündige Bürger selbst darüber informieren. Wenn es keine Informationen dazu gibt, sollte dieser veranlassen, dass diese bereit gestellt werden. Bei der Aufklärung können auch die Medien mit einbezogen werden. So können die Verhaltensregeln für jahreszeitlich typische Gefahren immer wieder an repräsentativer Stelle wiederholt werden. Während einer Gefahr ist es dafür wahrscheinlich meist schon zu spät.

Weiter muss man bei den oben genannten Fällen die Gegebenheiten nennen, die zu den Sturzfluten führten. Erstmal braucht es natürlich enorme Regenmassen, die durch die nahezu ortsfesten Gewitter zustande gekommen sind. Weiter muss man aber wissen, dass die kleinen Bäche teilweise verdohlt wurden, dass heißt durch unterirdische Röhren unter Straßen oder Stadtteile geleitet werden. Wodurch Bäche keine große Ausbreitungsmöglichkeit bekommen und sich andere Wege suchen. Hinzu kam, dass Dohlen von angeschwemmten Material verstopft wurden, sich Wasser ansammelte, um sich dann schlagartig einen anderen Weg zu suchen. Gegebenheiten, die man sicherlich nicht genau vorhersagen kann und von daher vom Ausmaß wahrlich überraschend kommen können.

Von daher wäre es auch Aufgabe der Gemeinde in gefährdeten Gebieten (durch Sturzflut oder Hochwasser) die Bürger besser zu informieren, aber ein Gefahrengebiet lässt sich schlechter an den Mann oder Frau bringen. Man lebt doch lieber an einem schönen Gebirgsbach, als an einem reißenden Fluss. Trotzdem ließe sich das mit öffentlich nutzbaren Hochwasserkarten besser einschätzen. Diese gibt es im groben schon (http://www.spiegel.de), werden aber nicht von denen benutzt, für die es notwendig wäre.

Es ist noch viel Arbeit nötig, um in Deutschland die Warnsituation vor Naturkatastrophen zu verbessern. Medien können ihren Teil dazu beitragen, aber sind hier nicht die alleinige Lösung des Problems. Es würde nur das Sympton, aber nicht die Ursache betreffen. Wichtiger wäre es, den Bürger schon im Vorfeld stärker zu sensibilisieren. Ihnen muss klar sein, wie ich mich in welcher Situation verhalte, da ein Zugang zu Medien nicht immer gewährleistet ist.

 

Die Schelte an den Medien ist zum Teil berechtigt, allerdings ist es eine Illusion man hätte bei flächendeckender Warnberichterstattung keine Tote mehr zu beklagen. 100 prozentige Sicherheit zu vermitteln ist fahrlässig. Meteorologen und Medien sollten soweit zusammen arbeiten, dass akute Warnlagen entsprechend bewarnt werden können. Menschen sollten aber schon lange im Vorfeld für Wettergefahren und deren Begleiterscheinungen sensibilisiert werden, um im Notfall auf sich selbst verlassen zu können.