Nichts ist unmöglich, der einstige Werbespruch von Toyota könnte irgendwie auch auf den amerikanischen Traum passen. Der amerikanische Traum, bei dem es jeder durch harte Arbeit schaffen kann seinen eigenen sozialen Aufstieg zu erreichen. Obwohl Donald Trump nun kein Tellerwäscher war, erlebte er wohl gerade seinen eigenen amerikanischen Traum und zeigt auch gleichzeitig auf, wie sehr der Werbespruch von Toyota der Wahrheit gleich kommen kann.
Ganz am Anfang seiner Kandidatur, als er noch Anwärter der Präsidentschaftskandidatur war wurde er oft genug belächelt. Donald Trump als Präsidentschaftskandidat? Unmöglich! Die Vorwahlen wird er sicherlich nicht überstehen. Jetzt steht er als Nachfolger Barack Obamas fest. Nichts ist unmöglich.
Ein Schock geistert derzeit durch die Presse. Niemand hätte damit gerechnet, außer vielleicht Filmemacher Michael Moore (http://www.bzbasel.ch/ausland/alle-lagen-falsch-nur-filmemacher-michael-moore-nannte-die-5-gruende-fuer-trump-sieg-fruehzeitig-130705074) .
Dennoch zeigten die Vorhersagen einen Sieg für Hillary Clinton, zumindest zu 70%. Aber 70% sind eben keine 100%. Dies wird auch die Frage aufwerfen, wie sind Wahlvorhersagen zu bewerten. Schließlich gibt es einige Schlüsselpunkte warum die Umfragen möglicherweise so schlecht waren. Aber waren sie wirklich schlecht? Den Umfragen vor einer Wahl wird eine Unsicherheit von vier Prozentpunkten angerechnet. In den meisten Bundesstaaten lagen die Vorhersagen in diesem Bereich, aber durch das besondere Wahlsystem der USA kann das in den sogenannten “Swing States” zum Problem werden. Warum? Diese Bundesstaaten sind meist hart umkämpft und vor der Wahl oft nicht klar, für welchen Kandidaten sich dort entschieden wird. Oft ist der Ausgang dort auch knapp und es gilt das Prinzip, dass der Sieger alle Wahlmänner, also Stimmen aus dem Bundesstaat bekommt. Das macht viel aus bei einer Fehlertoleranz von vier Prozentpunkten. Des Weiteren kann man vermuten, dass nicht alle Befragten die Wahrheit sagen und in der Wahlkabine ihr Kreuz doch wo anders machen. Dies macht die Vorhersage, auch wegen des speziellen Wahlsystems der USA, so schwierig. Ein weiterer Faktor besteht in der Vorhersage selbst, die möglicherweise selbst die Wahl stark beeinflussen kann. Wird die Vorhersage, trotz aller Wahrscheinlichkeiten, als Sieg für den einen oder anderen Kandidaten gewertet (z.B. durch Medien) kann es bei Wählern ein Verhalten auslösen das kontraproduktiv für ihren Kandidaten sein kann. Muss ich dann überhaupt noch zur Wahl, wenn mein Kandidat eh schon laut Vorhersage gewonnen hat? Auf der anderen Seite kann es Wähler des anderen Kandidaten, oder die die ihn zumindest favorisieren würden, anstacheln erst recht wählen zu gehen. Das Ergebnis würde kippen.
Von daher muss man sich ernsthaft fragen, sind die Umfragen im allgemeinen sinnvoll? Und zweitens, sollte man sie einen gewissen Zeitraum vor der Wahl überhaupt noch veröffentlichen? Wie wäre es, auch im Hinblick auf andere Wahlen, Umfragen und Vorhersagen eine Woche oder einen Monat vorher nicht einfach zu unterlassen? Auch wenn es klar sein sollte, dass man das in gewisser Weise umgehen kann.
Für Europa dauerte es etwas, um aus seinem Kater zu erwachen. Nach dem Brexit ist dies nun das zweite Ereignis, mit dem man vor allem in Europa nicht gerechnet hätte. Das Erstaunen war groß und Merkels Ansprache an Trump eindeutig. Einmalig ist es, dass aus Deutschland eine Mahnung, dass die Menschenwürde nicht verhandelbar, an Amerikas neuen Präsidenten geht. Seine Wahlkampfreden waren gespickt von Ressentiments und Populismus. Keiner log mehr als Trump. Aber dennoch hat er gewonnen. Dennoch wird er der neue amerikanische Präsident werden. Was man von ihm zu erwarten hat? Das weiß keiner so genau und genau das ist das große Problem.
Trump hat politisch keine Erfahrung. Wie er sich verhalten wird ist völlig offen und ob er überhaupt alles durchsetzen kann, was er im Wahlkampf versprochen hat. Das wäre so einiges, Obamas Gesundheitsreform würde er gerne rückgängig machen, eine Mauer zu Mexiko bauen (die Mexiko bezahlen sollte), Leute deportieren und Hillary Clinton aufgrund ihrer E-Mail Affäre verfolgen. Manches hat er mittlerweile wieder zaghaft zurück genommen. Obamacare doch nicht abschaffen, sondern verbessern. Vielleicht will er doch keine Mauer errichten, sondern ein Zaun würde reichen. Hillary Clinton will er auch nicht mehr juristisch verfolgen. Das Problem bei Trump ist allerdings, man weiß nicht wie er sich morgen entscheiden wird. So wie er sich gibt, entscheidet er viel über sein Bauchgefühl und wenn das morgen anders ist als heute, wird er sich morgen auch anders äußern. Und genau das macht ihn so unberechenbar.
Aber alles jammern hilft jetzt nicht weiter. Man muss abwarten wohin Amerika sich unter Trump entwickeln wird. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass der Präsident nicht alles allein entscheiden könne, die Institutionen würden sich auch gegenseitig kontrollieren. Auf der anderen Seite haben die Republikaner in allen Häusern die Mehrheit, einschließlich des höchsten Gerichts der USA. Was wird das für Amerika selbst bedeuten? Klar war Trump selbst unter den Republikanern umstritten, aber da die Republikaner an der Macht sind, wird man sich gegen seinen eigenen Präsidenten stellen?
Klar ist scheinbar nur eins: einfach wird es nicht werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Europa, das sich selbst im Moment in einer Krise befindet und von rechtspopulistischen Tendenzen bedroht wird nun die Führung der liberalen Demokratie übernehmen muss. Und die Demokraten Europa müssen handeln. Wie oft will man sich eigentlich noch die Augen verwundert reiben, wie etwas unscheinbares dann doch passiert ist? Ist das nicht die Tragik der Demokraten? Man geht davon aus, dass es der Rechtspopulismus nicht mehr so einfach habe in einer offenen Demokratie? Aber dann stellt man verwundert fest, wie dieser mehr Zuspruch bekommt als man dachte. Erst denkt man es könne nicht passieren, dann ist man erstaunt, dass es passiert ist und bis man endlich reagiert ist es zu spät. Man muss sich verinnerlichen, dass man um die liberale Demokratie tagtäglich kämpfen muss. Eine liberale Gesellschaft darf sich nicht von extremen Flügeln vereinnahmen lassen, muss diese aber aushalten können. Das ist das tragische, aber auch schöne an einer offenen Gesellschaft und liberalen Demokratie: sie kämpft und duldet diejenigen, durch die sie gefährdet wird. Autoritäre Systeme bekämpfen nur jeden erdenklichen Feind. Und wenn es keinen gibt, wird sich einer definiert, um von innenpolitischen Unzulänglichkeiten abzulenken. Welchen Weg Trump einschlagen wird, wird sich in den nächsten vier Jahren zeigen.
Interessant zugleich ist, dass Trump eigentlich genau das verkörpert was scheinbar vielen der Trump-Wähler ein Dorn im Auge ist. Es ist eine Wahl gegen das Polit-Establishment, gegen eine Elite, die sich vom Rest Amerikas abgesondert hat. Die ländlichen Gebiete fühlten sich mehr und mehr abgehängt und dort fand Trump seine Anhänger. Aber eigentlich tat er genau das, was Politikern “da oben” oft vorgehalten wird: Lügen, Lügen, Lügen. Seine Aussagen widersprachen sich sogar oft genug. Das schien aber keinen zu stören, ganz im Gegenteil. Zudem gehört er eigentlich einer ziemlich reichen Elite an. Gut abgesehen davon, dass man nicht genau weiß, wie groß sein Vermögen wirklich ist, aber mit Sicherheit hat er nicht viel mit dem einfachen Bürger gemeinsam. Außerdem wird es fraglich sein, ob er als Geschäftsmann, der seine Steuererklärung nicht veröffentlichen wollte, wirklich sein Amt im Dienste seines Landes erfüllt, oder seines Bankkontos.
Europa muss die Wahl in Amerika analysieren und wir dürfen nicht in Versuchung geraten uns moralisch über die Amerikaner zu stellen, denn nicht mehr lange und auch in Europa stehen entscheidende Wahlen an. Menschen die sich in Europa abgehängt fühlen, könnten schon den nächsten Rechtspopulisten wählen und das wäre auf Dauer für Europa fatal. Denn die Menschen, die sich abgehängt fühlen, gibt es auch bei uns.
Demokratie und Freiheit ist ein schützenswertes Gut, dass aber auch viel kostet: Geld, Kraft und Ausdauer. Man muss Geld in Bildung und Aufklärung investieren, damit sich die Menschen nicht mehr abgehängt fühlen. Man muss ihnen die Vorteile einer offenen Gesellschaft näher bringen und die Anbindung von Land an die Stadt wieder etablieren. Eine gewisse Elite darf sich nicht moralisch über eine gesamte Gesellschaft stellen und diktieren, sondern muss in den Dialog gehen. Demokratie besteht aus Kompromissen, auch wenn sie manchmal schmerzen. Unliebsame Wahlergebnisse darf ein Demokrat monieren, muss sie aber akzeptieren und dafür kämpfen, dass dies nicht noch einmal passiert.
Einfach wird es nicht, denn das Internet bietet großes Potenzial, dass sich extreme Flügel und Meinungen schneller und besser verbreiten als je zuvor. Und wahrscheinlich bietet das Internet die beste Möglichkeit, dass sich durch Gesellschaften schneller und tiefere Gräben ziehen. Denn in sozialen Netzwerken verkehrt man öfters in Blasen, die der eigenen Meinung entsprechen. Warum andere Meinungen hören bzw. lesen, um meinen Horizont zu erweitern, wenn es so einfach ist die eigene Meinung mühelos bestätigt zu bekommen. Man muss gegen all die Fake-News vorgehen, gegen Hasskommentare und muss dem ganzen mit besonnener Leidenschaft entgegentreten. Denn wenn man denkt, das könne nicht in Europa passieren, wird man sich wieder verwundert die Augen reiben und während man versucht zu realisieren wie das passieren konnte und versucht dagegen anzukämpfen, könnte es schon zu spät sein.