Tatsächlich kann man sagen, dass allmählich so etwas wie ein Art Wahlkampf stattfindet. Über dessen Art kann man streiten, ob es mehr aber eigentlich viel weniger um Inhalte geht. Die Angst, die die Union versucht zu schüren und die Aussagen von Christian Lindner lassen vermuten, dass zwei Buddies den Bund regieren wollen, aber am Ende sich die zähe Regierungsbildung der letzten Wahl wiederholt.
Nach dem Triell ist nur noch mehr klar, dass die Union eine Strategie besonders fahren wird. Es soll die Angst vor einem „Linksruck“ geschürt werden. Immer wieder wird betont, dass die SPD keine klare Aussage darüber macht, ob die SPD (oder die Grünen) mit den Linken koalieren wird. Das Schreckensgespenst ist eine Rot-Rot-Grüne Bundesregierung. Wer Scholz, der nicht gerade für eine sehr sozialistische Politik steht, wählt, würde auch Esken und Kühnert wählen, die Ultrasozialisten.
Es muss diese verzweifelte Angst vor dem Niedergang, dem Machtverlust nach 16 Jahren Angela Merkel sein, die die Union momentan antreibt. Und anstatt groß mit Inhalten zu kontern, fährt man mit dem Motto: Feuer mit Feuer bekämpfen. Also schürt man Angst, weil man Angst hat. Am Ende geht es sogar so weit, dass Paul Ziemiak vor geraumer Zeit auf Twitter verlautbaren ließ: Wer FPD wählt, würde am Ende Esken und Co wählen. Die Hutschnur ist dünn. Momentane Umfragen lassen die Union weiter in der Gunst der Wähler sinken. War Laschet eventuell doch nicht der passende Kandidat, da er sich im Wahlkampf und in der Flutkatastrophe den einen oder anderen Schnitzer leistete und manchmal eine Art anlegt, die vielleicht im Rheinland gut ankommt, aber nicht überall in Deutschland?
Der Druck unbedingt die Wahl zu gewinnen ist hoch, deren Ausgang aber sehr ungewiss. Scholz erlebt mit der SPD momentan einen Art Phoenix-Effekt. Laschet und die Union können momentan nur hinterherschauen. Ist es am Ende die brökelnde Macht von Merkel, die die Fliehkräfte am Ende nicht mehr zusammen halten kann? Und ist vielleicht Olaf Scholz doch Angela Merkel so ähnlich und die Wähler wollen lieber eine Reinkarnation von Angela Merkel verkörpert durch Olaf Scholz? Oder wollen die Wähler einfach tatsächlich einen „Linksruck“, weil die Gesellschaft sich weiter verändert. Bei der Bundestagswahl wird man letztendlich sehen, ob dem so ist.
Nach dem Wahlabend wird aber der wohl schwierigste Part kommen, wobei eine Pattsituation nicht ausgeschlossen ist. Das hat mehrere Gründe. Mit der AfD will niemand (was auch gut ist). Zwar haben Baerbock und Scholz eine Koalition mit den Linken nicht explizit ausgeschlossen, aber dennoch an eine für die Linken gravierende Bedingung geknüpft. Die Linke leidet in manchen Bereichen an Realitätsverlust und eine Koalition mit ihr wird für die Linken viel kosten. Da das Bekenntnis zur Nato Bestandteil eines Koalitionsvertrages sein muss (Aussage im Triell), wird es für die Linken schwierig sich nicht selbst zu verraten und Spaltungen innerhalb der Partei wären nicht ausgeschlossen. Und eine Partei, die kategorisch Bundeswehreinsätze ablehnt wäre kein verlässlicher Koalitionspartner. Daher ist die Hürde extrem hoch. Vielleicht zu hoch.
Dann sind da noch die beiden Buddies Laschet und Lindner. Beide kennen sich noch aus NRW und würden offensichtlich die Koalition aus NRW im Bund wieder aufleben lassen. Klingt fast wie eine romantische Liebesbeziehung. Nach den aktuellen Umfragen ist es sehr wahrscheinlich, dass die FDP das Zünglein sein könnte, um den Regierungsposten für die stärkste Kraft zu sichern. Das für die FDP dies die Union sein sollte, lässt Lindner unverhohlen spüren, wirft er der Union und insbesondere Laschet immer wieder Häppchen der Liebkosung hin. Erst letztens im Bundestag zum Afghanistan Einsatz. Armin Laschet habe einen sinnvollen Vorschlag in die Diskussion eingebracht, so Lindner. Weiter sei die „Unterstützung der FPD […] sicher.“ wäre die Unionsbundestagsfraktion diesem Vorschlag gefolgt (Bundestag Protokolle). Auch als Ziemiak die rote Socke ausgepackt hatte, konterte Lindner, man möge sich doch eher an den Grünen auslassen, als an der FDP. Die FDP sei ein verlässlicher Koalitionspartner. Nebenbei macht Lindner klar, er wolle den Posten als Finanzminister (www.spiegel.de).
Ein Kuschelkurs der FDP mit Laschet zeigt die Präferenzen der FDP, insbesondere von Christian Lindner. Andererseits erscheint ihm die Ampel, also der Koalition aus SPD, FDP und Grüne, weniger anstrebsam. Für ihn bzw. für die FDP seien Steuererhöhungen eine Art rote Linie. Aber das ist nun mal ein Teil des Wahlprogrammes der SPD und der Grünen. Sollten die momentanen Umfragen (es sind ja noch mehr als 20 Tage Zeit) ungefähr eintreffen, wäre die FDP dennoch die kleinste Kraft in einer Ampelkoalition. Und damit schwer vorstellbar, dass die anderen Partner, die sich relativ einig bezüglich der Steuererhöhungen zu sein scheinen, von ihren Vorstellungen abrücken würden. Daher müsste die FDP stark von ihrer roten Linie abrücken bzw. diese überschreiten. Das ist unter Lindner unwahrscheinlich, denn als Wirtschaftsliberaler bricht man ein solches Versprechen nicht und er müsste am Ende wieder vor die Kamera treten. Wahrscheinlich dachte man, so wie in der Union, die Wahl wird ein Selbstläufer. Wird sie aber nicht.
Am Ende könnte es dann heißen: Lieber gar nicht zocken, als schlecht zocken.