Ein Meter erscheint manchmal gar nicht so viel. Wenn allerdings ein Meter pro Quadratmeter an Regen binnen fünf Tagen fällt ist das beachtlich. Hurrikan Harvey hat die Küste von Texas, im besonderen den Raum um Houston, schwer getroffen. Ein besonderes Ereignis, welches auch die Zukunft des durch menschen verursachten Klimawandels aufzeigt?
Die Bilder aus Houston sprechen eine klare Sprache. Die Stadt ist weitgehend überflutet und das Wasser steht mancherorts so hoch, dass Dächer von Autos einfach überspült wurden. Ohne jeden Zweifel ist Hurrikan Harvey ein außergewöhnliches Ereignis. Derartige Regenmassen werden selten gemessen. Innerhalb von fünf Tagen vielen stellenweise über 1200 mm Regen. Zum Vergleich, die mittlere jährliche Niederschlagssumme in Berlin liegt bei etwa 600 mm. Das heißt binnen fünf Tagen ist die zweifache Menge Regen gefallen, die durchschnittlich in einem ganzen Jahr in Berlin fällt.
An der Messstation am Internationalen Flughafen in Houston werden im Jahr durchschnittlich etwa 1200 mm (also die Menge die stellenweise östlich von Houston gemessen wurden) gemessen. Vor Harvey sah es nach einer etwas überdurchschnittlichen Jahresmenge aus. Nach Harvey ist die Niederschlagssumme bereits um 40% höher als normal, weil 60% des normalen Jahresniederschlags innerhalb von fünf Tagen viel.
Harvey hatte sich zunächst als Störung westlich der Kapverdischen Inseln gezeigt, um sich dann zu einem tropischen Sturm auszubilden. Allerdings zerfiel er wieder, hatte sich wieder deutlich abgeschwächt und verblieb eher im Status einer tropischen Welle (easterly wave). Wenig später, nach Überqueren der Halbinsel Yucatán erlebte er sein Comeback. Über dem Golf von Mexiko entwickelte er sich zunächst zu einem tropischen Tiefdruckgebiet, dann zu einem tropischen Sturm, um sich letztendlich zu einem Hurrikan zu intensivieren. Kurz vor Auftreffen auf Land (dem sogenannten Landfall) erreichte er die Kategorie 4, die zweithöchste Stufe der Saffir-Simpson-Hurrikanskala, mit Windgeschwindigkeiten von über 200 km/h.
Durch die hohen Windgeschwindigkeiten und der daraus resultierenden Sturmflut entstand bereits großer Schaden. Harvey war sicherlich nicht der stärkste Hurrikan und demzufolge auch nicht mit den stärksten Windgeschwindigkeiten. Natürlich sind Windgeschwindigkeiten von über 200 km/h beachtlich, aber Harveys Besonderheit war die Menge an Niederschlag die er produzierte. Unglaubliche Mengen fielen binnen weniger Tage, aber auch hier ist er nicht Spitzenreiter. Taifun Rusa brachte 2002 nahezu 900 mm Niederschlag in weniger als zwei Tagen. Der meiste Niederschlag binnen eines Tages fiel auf La Réunion während des Zyklons Denise 1966. Wobei hinzuzufügen ist, dass letzterer Rekord sicherlich durch die orographische Lage (hohe Berge) begünstigt wurde.
Es bleiben dennoch Fragen stehen, warum war Harvey so außergewöhnlich. Trug der Klimawandel bereits seinen Anteil? War es bereits ein letzter Warnschuss und zeigte uns auf wie zukünftige tropische Wirbelstürme aussehen würden? Also alles Menschengemacht?
Nachdem Harvey sich über dem Golf von Mexiko wieder verstärkt hatte und Texas getroffen hatte schwächte er sich zwar relativ schnell ab, verblieb aber als System nahe der Küste nahezu an Ort und Stelle. Er driftete sogar wieder auf das Meer und verstärkte sich wieder leicht, um erneut an Land zu treffen. Bleiben derartige Sturmsysteme beinahe ortsfest gibt es in den meisten Fällen große Schäden durch Überschwemmungen. Dies hatte man bereits dieses Jahr in Berlin erlebt, als ein Frontensystem relativ ortsfest über Berlin konvergierte. Auch hier fielen enorme Regenmengen in manchen Teilen der Stadt und setzten diese unter Wasser. Simbach und Braunsbach im Jahr 2016 sind weitere Fälle. Es ist also diese besondere meteorologische Bedingung, die Harvey so viel Regen produzieren ließ. Man kann sich das in etwa so vorstellen, als wenn sie am Strand einen großen Eimer Wasser aus dem Meer holen und am Strand ausschütten, dies aber kontinuierlich über den ganzen Tag.
Bei einem wärmer werdenden Klima erwärmt sich auch die Atmosphäre. Eine wärmere Atmosphäre hat die Eigenschaft mehr Wasser aufzunehmen. Kombiniert mit einer erhöhten Verdunstung am Boden durch höhere Temperaturen würde als eine Folge eine Erhöhung des Wassergehalts in der Atmosphäre ergeben. Und dadurch wiederum eine Erhöhung des möglichen Niederschlags. Extremniederschläge, so die Schlussfolgerung, werden öfter und stärker. Ein Trend, gerade bei Sommerniederschlägen oder bei tropischen Wirbelstürmen ist derzeit noch nicht wirklich nachgewiesen. Sicherlich hat der relativ warme Golf von Mexico mit dazu beigetragen diese Mengen von Niederschlag zu produzieren. Die Frage bleibt trotzdem inwieweit hat die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung schon dazu beigetragen. Hat sie zum Beispiel zum relativ warmen Golf von Mexiko geführt? Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser eine Rolle bei Harvey gespielt hat, aber es ist auch noch nicht nachgewiesen.
Auch andere Faktoren, die man berücksichtigen muss, haben mit Sicherheit ihre Rolle bei den von Harvey verursachten Überschwemmungen gespielt. Zum einen spielte sicherlich die Feuchtigkeit der Böden vor Harvey eine Rolle. Die Bodenfeuchte spielt bei Überschwemmungen oft eine bedeutende Rolle. Je nachdem wie trocken oder feucht die Böden sind, desto mehr oder weniger können sie Wasser aufnehmen und in tiefere Schichten transportieren. Eine hohe Feuchtigkeit der Böden, wie jetzt im Falle von Harvey vor allem an der Küste und östlich von Houston der Fall, führt zu einer verringerten Aufnahme von Wasser. Wasser das nicht im Boden versickert läuft an der Bodenoberfläche ab.
Ein weiterer Punkt ist die Versiegelung der Böden. In Houston wurde so viel Boden versiegelt wie in kaum einer anderen Stadt in den USA. Die Stadt wuchs enorm in den letzten Jahren und dafür braucht man Platz. Wodurch große Flächen an Böden durch Beton ersetzt wurde. Dazu kommen zahlreiche Flüsse, die die Stadt durchziehen. Dies macht Städte wie Houston anfällig für Überschwemmungen. Obwohl Houston am Meer liegt und immer wieder durch tropische Wirbelstürme bedroht wird, hat man hier den Hochwasserschutz vernachlässigt.
All das sind Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, wenn es darum geht Harvey in einen Kontext des Klimawandels einzuordnen. Vorschnelle Schlüsse können gefährlich nach hinten losgehen. Natürlich besteht in der Öffentlichkeit das Problem der zeitlichen Verschiebung zwischen Eintreten des Ereignisses und der Evaluierung des Ereignisses. Größte Aufmerksamkeit bekommt das Ereignis während es selbst seine stärksten Auswirkungen hat. Auf der anderen Seite dauert eine wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung des Ereignisses. Meist ist diese erst Tage, Wochen oder Monate später verfügbar. Die Aufmerksamkeitsspanne ist da längst erloschen. Sollte man deswegen trotzdem den Klimawandel gleich an Ereignissen wie Harvey festmachen? Am Ende ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass die Wissenschaft darunter leidet. Sollte bei einer Studie, die mit absoluter Sicherheit kommen wird, sich herausstellen, dass Harvey nicht eindeutig durch den Klimawandel verstärkt wurde, ist dies gefundenes Fressen für Klimaskeptiker. Wird die Wissenschaft, oder auch nur Teile davon zum Wiederholungstäter leidet die Glaubwürdigkeit. Und wenn dann die ersten Extremereignisse auftreten, die eindeutig dem Klimawandel zuzuschreiben sind, wird man die Wissenschaft nicht mehr ernst nehmen.
War Harvey nun menschengemacht? Sicherlich nicht, aber die Auswirkungen wurden durch den Menschen verstärkt, entweder durch Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels, oder durch menschengemachte, fehlgeleitete Stadtplanung. Aber das muss man erst noch auswerten.