Es ist gar nicht mal so lange her, da wurden Flüchtlinge in München mit Plakaten wie “Refugees welcome” empfangen, als damals ein riesiger Flüchtlingsstrom in der bayerischen Hauptstadt angekommen ist und Deutschland zeigte sich von seiner gastfreundlichen, seiner hellen Seite. Dennoch gibt es auch andere Bilder in Deutschland von Demonstranten, die Zugänge zu Flüchtlingsheimen blockieren oder auf Veranstaltungen wird klar und deutlich von “Invasoren” gesprochen. Deutschland zeigt dort seine hässliche, seine dunkle Seite. Deutschland scheint nur noch in Schwarz und Weiß geteilt zu sein.
Bundeskanzlerin Angela Merkel kennt man eher als zurückhalten, oft auch als eher nebulös in ihren Worten ohne richtiges Statement, was aber ihrer Beliebtheit keinen Abbruch tat, eher das Gegenteil. Dies zeigt sich nun anders in der Flüchtlingsdebatte, denn man kann ruhig sagen, dass sie sich deutlich auf die helle Seite Deutschlands geschlagen hat. Das Öffnen der Grenzen für die Flüchtlinge, die an den Grenzen Ungarns standen und die Aussage der Kanzlerin “Wir schaffen das!” ist eine klare Position die sie einnimmt. Man hat das Gefühl in ihrer ganzen Kanzlerschaft hatte sie sich nie so deutlich den Deutschen gegenüber gezeigt, so vehement. Allerdings ist es interessant, dass dies ihrer Beliebtheit eher schadet und es erscheint paradox, dass sie endlich einmal deutlich Stellung bezieht und dennoch dafür abgestraft wird. Ganz anders zum Beispiel Horst Seehofer, der in der Flüchtlingsdebatte den Gegenpol zu Merkel einnimmt und der durch seine Gegenposition an Beliebtheit dazu gewinnt - Deutschland paradox.
Der Zustrom von Flüchtlingen, die vor Tod und Grausamkeiten aus ihrer Heimat fliehen befeuerte auch einen anderen Zustrom, einen in Deutschland selbst. Das rechte Parteienspektrum, insbesondere die AfD, die Alternative für Deutschland erhält wieder unverhofften Aufwind. Kurz nach der Ablösung des ehemaligen Parteichefs Bernd Lucke und der Aufspaltung der AfD dachte man noch, dass es sich dabei nur um einen kurzen Aufstoßer in der Parteienlandschaft gehandelt habe. Jetzt bringen die Flüchtlinge aber den Zündstoff für einen erneuten Aufschwung der AfD mit, die nach der Aufspaltung klar nach rechts geschwenkt ist. Beim genauen Hinsehen sind es aber nicht allein die Flüchtlinge, die den Zündstoff mit sich bringen, sondern sie werden dazu auch instrumentalisiert.
Es ist nicht zu bestreiten, dass mit den Flüchtlingen auch Probleme kommen. Sie brauchen Unterkunft, Kleidung und Verpflegung. Am besten lernen sie Deutsch, um sich später in den Arbeitsmarkt zu integrieren usw., ihr Asylantrag muss geprüft werden und das kostet Zeit. Auf vieles kann man sagen, war Deutschland sicherlich nicht vorbereitet und hat vieles auch verschlafen. In gewisser Weise ist dies sicherlich auch dem Dublin-Abkommen geschuldet, das besagt dass der Staat in der Europäischen Union, in den der Asylsuchende als erstes eingereist ist, das Asylverfahren durchführen muss. Durch die zentrale Lage Deutschland war es nahezu sicher, dass kaum ein Asylsuchender als erstes in Deutschland einreisen würde. Aber jetzt sind die Flüchtlinge da und stellen in Deutschland das Asylverfahren und dies braucht Zeit und Personal.
Das Asylverfahren dauert manchen in Deutschland aber zu lange. Ihre Meinung geht von am besten gleich wieder zurück schicken, bis erst gar nicht aufnehmen. Pegida nennt die Flüchtlinge offen Invasoren. Invasoren ihres heiligen Vaterlandes - Deutschlands. Auch die AfD spielt gekonnt mit der Klaviatur des Rechtspopulismus, im Besonderen Björn Höcke, der auf Veranstaltungen gezielt mit rechter Rhetorik und Anspielungen kokettiert. Dort ist dann schon mal von tausend Jahren Deutschland die Rede oder die Gefahr blonder Frauen vergewaltigt zu werden. Die rechten Kräfte sehen ihre Zeit mit der Flüchtlingskrise kommen und kriechen aus ihren Löchern. Wer sich jetzt aber wundert, woher die ganzen Rechten kommen, muss sich wohl eher die Frage stellen, ob sie jemals weg waren.
Immer wieder wird bei Pegida gerufen “Wir sind das Volk!”, aber sie sind es nicht, denn sie sind höchstens ein Teil davon. Ihnen fällt nichts eigenes ein, weswegen sie billig versuchen historische Sätze zu kopieren. Oder wie im Falle Björn Höcke bei Günther Jauch Flagge (die deutsche) zu zeigen, aber im Grunde steht Schwarz-Rot-Gold für all das, für was Höcke nicht steht.
Zudem fallen immer wieder Begriffe wie “Mitte der Gesellschaft” oder “besorgte Bürger”. Mitte der Gesellschaft, was ist das überhaupt? Es ist ein Begriff der so schwammig ist, aber gleichzeitig so universal einsetzbar erscheint. Die Mitte der Gesellschaft möchte es so, aber wer sagt, dass die Meinung in der Mitte der Gesellschaft richtig ist? Was, wenn die Mitte der Gesellschaft falsch liegt? Meinungen, die Pegida und AfD vertreten, seien auch in der Mitte der Gesellschaft zu finden. Das sind sie vielleicht auch. Rechtes Gedankengut ist nicht allein auf irgendeine Bildungsschicht, eine Mittelschicht oder eine Einkommensschicht beschränkt, sie ist überall zu finden. Vielleicht in der einen mehr, in der anderen weniger, aber im Grunde überall, also auch irgendwo in der Mitte der Gesellschaft. Und besorgte Bürger ist mittlerweile auch mehr ein Synonym für Nazi geworden, womit man auch nicht allen Bürgern, die wirklich besorgt sind gerecht wird.
Man mag es vielleicht nicht glauben, aber es gibt sie wirklich: Bürger die besorgt sind. Die, die sich fragen “Schaffen wir das?”. Natürlich fragen sie sich, ob man den Zustrom der Flüchtlinge bewältigen kann, wie man das alles bezahlen soll, oder ob es Probleme geben wird, oder funktioniert die Integration? Es sind rationale Fragen, die aber richtig sind und gestellt werden müssen! Rationale Fragen brauchen rationale Antworten, anders als Pegida und Co., die nur mit Gefühlen und Ängsten spielen und diese schüren. Antworten, die gefühlt sind und eher dem Wortlaut folgen: Ich kann es zwar nicht beweisen, aber ich glaube es ist so und so.
Die Politik, allen voran die Regierung muss klare, rationale Antworten bringen. Sie muss alle Bürger mitnehmen auf einen Kurs, der uns durch diese Krise manövriert. Aber im Moment macht es sich die Regierung nicht gerade einfach einen klaren Kurs zu fahren. Die eine Hand scheint nicht mehr genau zu wissen, was die andere macht oder macht gleich auf eigene Faust. Es scheint, als scheinen auch einige Kräfte in der Union ihre Chance zu wittern Angela Merkel zu stürzen. Eine denkbar fragwürdige Taktik zu dieser ungünstigen Zeit. Statt einig da zustehen, gibt die Regierung ein zerrüttetes Bild ab, obwohl Einigkeit eine bittere Notwendigkeit wäre. Gerade Horst Seehofers Aufbegehren gegenüber Merkel war ein übles Spiel. Ganz nach dem Motto eines Franz Josef Strauß „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben!“ wurde mit Ressentiments eifrig am rechten Rand gefischt und birgt das hohe Risiko die öffentliche Debatte weiterhin zu verschärfen. Eine Debatte, die ohnehin schon in zwei Lager aufgespalten ist und gefühlt gar keine andere Meinung mehr zulässt, als Schwarz oder Weiß. Eine sinnvolle Debatte wird von Marktschreiern im Keime erstickt.
Man darf nicht überheblich werden und denken die eigene Moral stehe über der von wirklich besorgten Bürgern, nur weil man sich selbst bedenkenlos für ein Zustrom von Flüchtlingen einsetzt. Medien, Politiker und Bürger müssen sich entsprechend verhalten und rationale Antworten geben, damit wirklich besorgte Bürger nicht weiter in die Hände von Rattenfängern getrieben werden. Man sollte sich sowieso davon lösen, dass es kein öffentliches rechtes Spektrum in Deutschland gibt, denn das gibt es, wie in vielen anderen Ländern auch. Es wäre töricht zu vermuten, dass es das nicht gebe. Und lasst sie ihr Gesicht zeigen, besser als wenn sie sich unter dem Deckmantel einer CSU verstecken. Die Antwort muss dann aber auch von der Gegenseite kommen und ebenfalls Gesicht zu zeigen, sie mit Argumenten zu schlagen und wenn es nötig sein sollte, muss die volle Härte des Rechtsstaates zuschlagen. Eine Demokratie muss auch die Irrlichter auf den extremen Flügeln aushalten und muss zeigen können, wer wirklich das Volk ist.