Lieber mal den Profis überlassen. Wo er recht hat, hat er recht könnte man sagen. Gerne überlässt man etwas Profis, als es Amateuren zu überlassen, bevor etwas schief geht. Aber hat sich Christian Lindner mit seiner Aussage über die Schülerproteste „Friday for Future“ nicht etwas weit aus dem Fenster gelehnt?

Kinder und Jugendliche haben keine Ahnung. So hat sich Christian Lindner in etwa über die Schülerproteste „Friday for Future“ geäußert. Genauer hat er gesagt, man könne nicht erwarten Kinder und Jugendliche würden bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und ökonomisch Machbare sehen. Das sei eine Sache für Profis. Zudem sollen die Schüler doch bitte nicht während der Schulzeit demonstrieren. Besser sollten sie doch in die Schule gehen und die Naturwissenschaften studieren.
Es ist ein schönes Anliegen des FDP-Parteichefs die Kinder und Jugendliche für die Schule zu begeistern. Gerade für jemanden der früher selbst einmal behauptet hat, er würde die Zeit in der Schule nur absitzen. In der Schule kann man viel lernen, wenn man denn will. Aber es ist momentan auch so, dass das was die Schüler und Jugendliche momentan durch die Demonstrationen lernen die beste politische Bildung ist, die sie bekommen können. Jugendliche interessieren sich nicht für Politik, oder wären politisch nicht aktiv. Jetzt sind sie es mal, dann ist es auch wieder nicht recht. Ja, die Schüler könnten auch in ihrer Freizeit demonstrieren, aber dann würde es nicht die gleiche Aufmerksamkeit bekommen, wie sie es jetzt bekommen haben. Arbeitnehmer demonstrieren auch nicht in ihrer Freizeit für bessere Arbeitsbedingungen.
Also sollten die Schüler doch lieber etwas über die Naturwissenschaften in der Schule lernen, anstatt zu demonstrieren. Es ist ja auch ein gern verwendetes Argument von Christian Lindner, wenn es um die Energiewende etc. geht - man könne die Physik nicht außer Acht lassen. Lindner hat nur damit recht, physikalische Gesetze könne man nicht außer Acht lassen. Der Klimawandel folgt ebenfalls physikalischen Gesetzen. Und diese Gesetze sind nicht verhandelbar. Eine andere Energiepolitik eben schon.
Dabei haben die Schüler und Jugendliche mehr von den Problemen des anthropogenen Klimawandels verstanden, als Christian Lindner. Während er behauptet, die Schüler würden die globalen Zusammenhänge nicht verstehen, haben die Schüler verstanden, dass die Herausforderung die der anthropogene Klimawandel mit sich bringt nicht an nationalen Grenzen Halt macht, sondern ein globales Problem ist. Dies haben die Proteste diesen Freitag durch weltweit koordinierte Proteste erst recht gezeigt. Hinzu kommt die Unterschützung der “Friday for Future” durch die “Scientists for Future”. Also durch die Profis, welche die Herausforderung des anthropogenen Klimawandels sehen. Also eigentlich genau diejenigen, die Christian Lindner vermeintlich meint. Oder eben vielleicht auch nicht.
Klimaziele könne man fordern, aber man habe schon “Paris”, so Lindner. Diese Aussage zollt vielleicht schon etwas von gewisser Überheblichkeit. Soll vielleicht heißen: Ach Kinder, das könnt ihr doch noch nicht wissen. Allerdings scheint Lindner auch nicht die Schüler zu verstehen. Sie wollen nicht zwingend neue Klimaziele, sondern das “Paris” eingehalten wird. Eigentlich ist es eine schlichte Forderung: Konditionen eines Vertrags einhalten, den man selbst unterschrieben hat. Wenn wie immer wieder berichtet wird, dass Deutschland seine selbst verpassten Klimaschutzziele verpassen wird, ist es eine legitime Forderung zum Einhalt der Ziele. Erst recht von der jüngeren Generation. Das zeigte auch das Bündnis “Scientists for Future”, eine Unterschriftensammlung von Wissenschaftlern (aus allen Bereichen), die hinter den Klimaprotesten der jungen Generation stehen.
Wie sehen diese Profis in der Sicht von Christian Lindner aus? Ingenieure, die im stillen Kämmerlein frei vor sich hin tüfteln und dann die Bombenidee haben, welche sie natürlich dann auf den Markt schmeißen? Der freie Markt bringt uns also die Erlösung? Vielleicht auch eine kindlich-naive Gläubigkeit. Das Wissen und neue Technologien, die dann auch von Firmen eingesetzt wird, entstehen nicht selten an Universitäten, an denen Grundlagenforschung betrieben wird. Wissen, welches Unternehmen später nutzen können. Und Universitäten sind in Deutschland letztendlich staatlich finanziert. Der Staat muss hier also Treiber sein. Vielleicht sollte sich die Politik auch mehr im Klaren sein wie man den Forschungsstandort Deutschland festigt und das Universitäten weniger auf Drittmittel angewiesen sind.
Wie behäbig und unwillig Unternehmen bei neuen Technologien sein können zeigt sich auch in der E-Mobilität. Lange war nichts konkretes bei den Firmen zu sehen. Selbst als die Post einen E-Transporter wollte, wurde dies von den großen Firmen als unmöglich angesehen. Jetzt verwendet die Post die sogenannten StreetScooter. Übrigens hergestellt durch eine privatwirtschaftlich organisierte Forschungsinitiative an der RWTH Aachen. Reaktion von Daimler: man spionierte das neue Gefährt erst einmal aus (Spiegel Online).
Weiter fehlt es noch an Infrastruktur für E-Mobilität, weswegen sich nicht wenige noch scheuen ein E-Auto zu kaufen - verständlicherweise. Technologieoffen müsse man forschen, argumentiert die FDP gerne. Es ist auch berechtigtes Argument, aber auch hier besteht für die Alternativtechnologie (Wasserstoff, die auch von der FDP immer wieder genannt wird) noch keine ausreichende Infrastruktur. Vielleicht müsste auch hier die Politik stärkere Anreize schaffen - mit einer verbesserten Infrastruktur und Forschung.
Geforscht werden soll ja mittlerweile auch an Lastwagen, die mit Hilfe einer Oberleitung ihren Strom zum Antrieb beziehen können, analog zum Oberleitungsbus. Technologieoffen ist ja folgerichtig, aber hier kann man sich doch wirklich mal über den Sinn fragen. Es gibt bereits eine Technologie, die Waren transportiert und Strom über die Oberleitung bezieht - die Eisenbahn. Ist es vielleicht doch nicht sinnvoller, bestehende Strukturen wieder aufleben zu lassen und diese zu nutzen? Und klar über all der E-Mobilität schwebt das Schwert des Damokles, der Strom dürfe dann nicht aus Kohlekraftwerken kommen. Deswegen ist ein Ausstieg aus der Kohlekraft nur folgerichtig. Dahinter stehen logischerweise auch Arbeitsplätze, aber es ist die Aufgabe der Politik diesen Menschen, die wahrscheinlich ihren Arbeitsplatz verlieren werden, zu verstehen zu geben - wir lassen euch nicht im Stich.
Und wie es scheint, scheint sich momentan gerade die jüngere Generation von der Politik im Stich gelassen. Im Stich gelassen, da sie nicht sieht, wie ihre eigene Zukunft aussieht. Und eigentlich ist es schon verwunderlich, dass ein Vorsitzender einer Partei, die jung wirken möchte und noch nicht vor allzu langer Zeit damit Wahlkampf bestritten hat Schulränzen und nicht Aktenkoffer würden die Welt verändern. Gerade sind nämlich diese Schulränzen auf der Straße, um die Welt zu verändern.