Über Satire darf man streiten, aber deswegen auch töten?. Satire geht manchmal weit, sehr weit. Man kann sie mögen, oder auch nicht, denn letztendlich ist es Vielfalt die uns ausmacht. Ohne Zweifel kann sie Gefühle verletzen, aber sollte sie sich deswegen verstecken oder sich gar selbst zensieren? Wessen Gefühle dürfen verletzt werden, wessen müssen geschützt werden? In gewisser Weise verkörpert Satire die Meinungsfreiheit in höchster Form, denn sie spricht in oft überspitzter und spöttischer Form Zustände oder Missstände an. Für diese Form der Meinungsfreiheit starben am 7. Januar 2015 Karikaturisten für ihre Zeichnung. Terroristen stürmten die Redaktion der Satirezeitschrift „CharlieHebdo“ in Paris und töteten vier Karikaturisten der Zeitschrift. Auf ihrem Terrorzug durch Paris mussten zwölf Menschen ihr Leben lassen. Bei ihrer Tat riefen die Täter „Wir haben den Propheten gerächt“ und „Gott ist groß“. Islamische Extremisten brachten den Terror mitten in das Herz von Frankreich.
Übrig blieb eine geschockte Nation, die einen der größten Terroranschläge auf eines ihrer Grundmotive der Freiheit (Liberte) erfahren mussten. Satire ist ein hohes Gut der freien Demokratien, dass es zu schützen gilt. Gerade Frankreich ist stolz auf seine erreichte Freiheit und gerade auf ihre Karikaturzeitschriften. Ihre oft überspitzte Darstellung von Problemen und Umständen zeigen sich auch oft im französischen Film, in dem Probleme nicht selten auf eine satirische Weise verkörpert werden. Die Liberte ist mit Selbstverständnis tief im französischen Geist verankert. Von daher ist der Angriff auf „CharlieHebdo“ ein Angrif auf alle Franzosen, aber auch auf alle freiheitsliebenden und -schätzenden Nationen der Welt. Spontan trafen sich die Menschen auf Plätzen in ganz Frankreich, um Solidarität zu zeigen. Aber nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen Ländern und Städten, wie zum Beispiel in Berlin. Geprägt wurde dabei der Spruch „JeSuisCharlie“ - „ Wir sind Charlie“. Wir alle sind davon betroffen, wenn ein Anschlag auf die Freiheit verübt wird.
Sonntag nach den Anschlägen zeigte sich eine im Trauer vereinte Nation, die den Toten der Terroranschläge dachten. Brüderlich (Fraternité) vereint marschierte der Trauermarsch in Frankreich, um Solidarität und Einigkeit gegen die Unmenschlichkeit der Anschläge zu demonstrieren. Es ist wohl eine der größten Errungenschaften der Demokratie: Einigkeit im Zuge eines Angriffs auf die Demokratie selbst.
Frankreich ist stolz auf seinen Laizismus. In gewisser Weise verkörpert dies auch die Gleichheit (Egalité) aller Franzosen. Es ist die Sache jedes einzelnen welcher Religion er angehört, oder ob er überhaupt einer Religion angehört. Der Staat mischt sich in dieser Angelegenheit überhaupt nicht ein. In gewisser Weise könnte man den Laizismus sogar als Erweiterung des revolutionären Dreiklangs Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sehen. Aber was, wenn dies bedeutet, dass die Menschen mit ihrer Religion alleingelassen werden? Wenn der Staat nicht mehr weiß inwieweit sich seine Bewohner radikalisieren? Oder Gesetze, wie das Burka-Verbot, plötzlich zu falschen Schlussfolgerungen führt das Land sei unter muslimischer Belagerung? Selbstverständlich hatten die Parlamentarier aus Überzeugung und langer Tradition des Laizismus für das Gesetz gestimmt, aber der Philosoph Raphael Liogier argumentiert, dass dies nur einer von vielen Schritten zur Panikmache gewesen sei.
Muslime werden nach derartigen Taten immer wieder dazu aufgerufen sich davon zu distanzieren. Die Attentäter jedoch waren muslimische Franzosen und dennoch wird mit dem Finger auf alle Muslime gezeigt, sich davon zu distanzieren. Nichtsdestotrotz ist aber gerade der Glaube im laizistischen Frankreich reine Privatsache.
Zunächst wird die Frage erst einmal offen bleiben wie Parteien wie der Front National die Anschläge auf lange Sicht für sich verwenden wollen und können und möglicherweise einen islamfeindlichen Grundtenor schaffen. Ähnliches gilt für Deutschland, wo sich Pegida durch die Anschläge bestätigt vor einer Islamisierung fühlen.
Und leider ist es wie so oft nach solch furchtbaren Tragödien, dass die verschiedensten Gruppierungen die Anschläge für ihre eigenen Zwecke nutzen wollen. Angefangen von Pegida bis Front National hin zu dem allgegenwärtigen Zombie der Sicherheitsfanatiker, die Vorratsdatenspeicherung. Kaum waren die Anschläge geschehen, wurde wieder der Ruf nach der Vorratsdatenspeicherung laut. Dabei konnte die in Frankreich die Attentate nicht verhindern. Mehr Daten heißt nicht besseren Schutz - viel hilft nicht immer viel. Alternativ wäre es wohl sinnvoller nicht mehr Daten zu erheben, sondern die schon vorhandenen effektiver auszuwerten.
Hält es Frankreich wirklich so genau mit der Egalite? In den Banlieus, den Außenbezirken, von Paris finden sich viele Muslime und Einwanderer wieder. Hohe Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen prägen die Vorstadtsiedlungen, die zwar so nah an Paris liegen, aber doch nicht weiter entfernt sein könnten. Extremismus hat meist eine hohe Anziehungskraft auf Jugendliche, die durch das soziale Raster zu fallen scheinen. Orientierungslosigkeit ist ein gefundenes Fressen für Rattenfänger. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass islamistischer Terror etwas mit dem Islam zu tun. Jeder islamistischer Terrorist mag Muslime sein, aber das weitaus wichtigere ist, dass nicht jeder Muslime ein gleich Terrorist ist. Es ist zu ergründen, warum sich Jugendliche radikalisieren lassen. Ist es wirklich die Religion, oder ist es eine Mischung aus Chancenlosigket und Perspektivenlosigkeit die zur einer Radikalisierung führt und Religion ist nur ein schneller Einstieg in die Radikalisierung? Wir dürfen nicht reflexartig die Religion und alle Muslime beschuldigen. Wir müssen gemeinsam mit dem Islam, mit Muslimen gegen die Radikalisierung vorgehen. Es ist notwendig nicht aufzuhetzen, sondern aufzuklären. Es ist notwendig nicht auszugrenzen und die Mauern im Kopf abzubauen und nicht aufzubauen.
Denn am Ende erreichen die Terroristen genau das was ihre Ziele sind. Sie spalten unsere Gemeinschaft und führen zu weiterer Diskriminierung. Diese würde wieder weiteren Nährboden für Extremismus bilden. Sie würden unsere Freiheit einschränken, wenn wir uns dazu verleiten lassen die Vorratsdatenspeicherung einzuführen und alle unter Generalverdacht zu stellen.
Was darf Satire? Alles! Denn man hat die Möglichkeit etwas nicht zu lesen und nicht zu akzeptieren. Man kann darüber diskutieren und einen Dialog führen. Denn heißt das erste Glied Einschränkung der Meinungsfreiheit, so führt dies unweigerlich zur selbstverschuldeten Unmündigkeit.